Rezension zum Buch

Nanga Parbat - Tragödie am Schicksalsberg

Die Sächsische Nanga-Parbat-Expedition 2004 sollte die Gemüter noch lange beschäftigen. Es war eine der dramatischsten Expeditionen in der sächsischen Bergsteigergeschichte und eine der tragischsten zugleich. In ihrem neuen Buch "Nanga Parbat - Tragödie am Schicksalsberg" erinnern Jörg Stingl und Co-Autor Thomas Treptow an die Reise zum neunthöchsten Berg der Welt. Es begann wie so viele andere Expeditionen auch.

Jörg Stingl erinnert sich: „Bei einem Mannschaftstreffen für die Nanga-Parbat-Expedition 2004 stand mir Günter Jung zum ersten Mal persönlich gegenüber. Gemeinsam mit den Brüdern Christian und Markus Walter, Carsten Beichler und Jens Triebel wollten wir zum mächtigsten freistehenden Massiv der Erde. A. F. Mummery, der britische Pionier des Bergsteigens an den Achttausendern, sagte einmal: Ich habe keinen Berg gesehen, der eine so unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt. Für mich war der 8125 Meter hohe Nanga Parbat, der westlichste Eckpfeiler des Himalaya, nicht nur technisch und sportlich eine Herausforderung. Die vielen Geschichten, die sich um den Diamir, den König der Berge ranken, zogen mich schon in jungen Jahren in ihren Bann. Namen wie Peter Aschenbrenner oder Hermann Buhl verknüpfte ich mit meinen Ansichten, Träumen und Idealen vom Alpinismus. Als mich Markus Walter, dessen Bruder Christian bereits 1993 mit einer sächsischen Expedition am Nanga Parbat auf 6800 Meter gekommen war, auf die Expedition ansprach, zögerte ich nicht lange. Ein Jahr später fuhren wir tatsächlich zum neunthöchsten Achttausender der Erde."

Jörg Stingl als Teilnehmer der Expedition und Co-Autor Thomas Treptow haben wiederum ein sehr persönliches Bergsteigerbuch geschrieben, das mit einer Fülle von Details aufwartet, ohne die spannende Geschichte der Expedition selbst zu vernachlässigen. Sie berichten von Begegnungen mit pakistanischen Trägern, mit deutschen Fernsehteams, österreichischen Bergsteigerkollegen und mit Künstlern, die sich bis ins Basislager am Fuße des Nanga Parbat gewagt haben.

Stingl und Treptow lassen den Leser aber auch mitfühlen und manchmal mit leiden, wenn die Alpinisten auf günstiges Wetter für den Aufstieg warten, wenn sie die unterschiedlichen Strategien für den Kampf um den Gipfel beraten. Sie erzählen, wie selbst scheinbare Kleinigkeiten – die richtige Nahrung und Kleidung, Unterhaltungen am Kochtopf, Lektüre, Mails von Zuhause – wichtig werden und das Schicksal einer Expedition beeinflussen können. Und nicht zuletzt erzählen die Autoren aus ganz persönlicher Sicht vom erfolgreichen Aufstieg auf den Gipfel, dem das tragische Ende folgte: Der Absturz von Günter Jung, die vergebliche Suchaktion nach dem Verunglückten, die Lebensgefahr, in die die übrigen Mitglieder der Gruppe gerieten. Jörg Stingls Fazit bei der improvisierten Gedenkfeier für Günter Jung im pakistanischen Hochland: "Alle die noch im Basislager weilten, kamen herüber, und während wir leise Abschied nahmen, kam mir in aller Bitterkeit in den Sinn, wie eng Tragik und Triumph an einem Berg wie dem Nanga Parbat zusammenliegen."

Text: Matthias Zwarg
Leiter des Buchprogramms der Freien Presse

Nanga Parbat - Tragödie am Schicksalsberg